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Geschichte Ober-Erlenbachs
von Dr. Jochen Ziegler
Erste urkundliche Hinweise
Die ersten urkundlichen Hinweise auf ein Dorf namens Arilbach, aus dem später Ober- und Nieder-Erlenbach hervorgegangen sind, stammen aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Es gehörte zeitweilig dem Kloster Lorsch und der Benediktiner-Abtei Hersfeld, dann wieder verschiedenen weltlichen Adelsgeschlechtern. Weil der jeweilige Lehnsherr den Glauben seiner Untertanen bestimmte, waren die Einwohner im 16. Jahrhundert zeitweilig Protestanten. Schließlich gelangte Ober-Erlenbach an das Mainzer Erzbistum, bei dem es bis 1691 verblieb. In diesem Jahre wurde es an das freiherrliche Geschlecht von Ingelheim verkauft, an das auch nach und nach alle hoheitlichen Rechte übergingen. Mit Unterstützung des neuen Lehnsherren wurden schon im Jahre 1765 die jetzige Kirche St. Martin und 1793 ein neues Schulhaus erbaut. Die Bauern des Dorfes blieben zwar leibeigen, aber Berichte über mit aller Härte durchgesetzte wirtschaftliche Ausbeutung durch die Lehnsherren, wie sie aus anderen Gegenden Deutschlands zahlreich vorliegen, fehlen hier.
Napoleonische Kriege
Als Folge der napoleonischen Kriege kam Ober-Erlenbach zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt, auf dessen Territorium schon seit 1811 keine Leibeigenschaft mehr bestand. Grund und Boden und die damit
verbundenen Rechte gehörten weiter den Ingelheimern, aber die Ober-Erlenbacher Bauern waren freie Leute geworden. Das aus dem 16. Jahrhundert stammende und unter Denkmalschutz stehende mächtige
Gebäude der Zehntscheune und die im Jahre 1765 vom Grafen von Ingelheim gebaute Kirche St. Martin, das Wahrzeichen des Dorfes, erinnern heute noch an die Zeit der Gutsuntertänigkeit.
Beginn 20. Jahrhundert
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde in Ober-Erlenbach der Grundstein für ein neues Schulhaus mit Lehrerwohnung gelegt (1902). Die Einwohnerzahl des Dorfes hatte inzwischen die Tausendergrenze
überschritten: Im Jahre 1900 waren 1053 Männer, Frauen und Kinder gezählt worden. Es machte sich aber in diesen Jahren auch der Aufschwung der Technik bemerkbar; denn die Gemeinde wurde an das
staatliche Telefonnetz angeschlossen. Gleichzeitig scheint auch die Korrespondenz so zugenommen zu haben, dass die Eröffnung einer dörflichen Postagentur unabdingbar wurde. Am 23. Juli 1913
kehrte der Fortschritt endgültig ins Dorf ein: Erstmals brannte elektrisches Licht. Fließend Wasser erhielt das Dorf allerdings erst im Jahre 1958.
Erste Weltkrieg 1914-1918
Durch den Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 wurde die begonnene Aufwärtsentwicklung Ober-Erlenbachs unterbrochen. Sechsundvierzig Männer sind an den verschiedenen Fronten gefallen oder wurden vermisst. Die beiden größeren Glocken der Kirche sowie die Zinnpfeifen der Orgel von St. Martin wurden demontiert und zur Munitionsherstellung eingeschmolzen. Die Glocken konnten erst 1922 ersetzt werden.
1927 und Josef Baumann
1927
erwarb eine „Hauptgeschäftsstelle gegen Suchtgefahren e.V.“ in Berlin die jene Mühle ganz in der Nähe des Dorfes, welche in den letzten Jahren als marode Gipsfabrik dahinvegetiert hatte.
Gleichzeitig hatte man den badischen Obstbaummeister Josef Baumann verpflichtet, hier ein Zentrum, eine „Lehr- und Versuchsanstalt“ einzurichten zur Weiterentwicklung und Verbreitung eines
Verfahrens, das Josef Baumann entwickelt hatte und wodurch man Obst zu alkoholfreiem Wein verarbeiten konnte.
Die Eindämmung der Trunksucht und Alkoholabhängigkeit war zu jener Zeit durchaus ein gesellschaftliches Problem und wurde von allen deutschen Regierungen unterstützt. Also nahm Baumann sich
dieser Aufgabe an und innert weniger Jahre war in Ober-Erlenbach unter der Aegide von Baumann das Zentrum der deutschen, fast liesse sich sagen: der „europäischen“ Fruchtsaft-Industrie
entstanden: mit einer inzwischen auch „Staatlich anerkannten Lehr-und Versuchsanstalt für gärungslose Früchteverwertung“ mit Lehrräumen und einem praktischen Betrieb, in welchem ständig
Praktikanten und Lehrlinge aus aller Herren Länder ausgebildet wurden und wo das Jahr über 1 – 2 wöchige Lehrgänge liefen; wo dann das Fachblatt „Flüssiges Obst“ verfasst und monatlich
herausgegeben wurde; wo ständig die Maschinenbau-Industrie Gelegenheit bekam, neu entwickelte Maschinen und Verfahren in der Praxis zu testen; wo Tagungen stattfanden. Dies alles in enger
Zusammenarbeit mit den bestehenden Fachhochschulen in Geisenheim (Weinbau) und Weihenstephan ( Bier). Selbst nachdem die Lehr-Tätigkeit im Schwerpunkt nach Bad Homburg verlegt worden war, blieb
„Ober-Erlenbach“ für die Fruchtsaft-Industrie DAS Zentrum.
Nach dem Tod von Josef Baumann wurden seine bisherigen Aufgaben im Schwerpunkt auf die vorgen. Hochschulen übertragen . Der Betrieb wurde zunächst an eine Familie Rühl und in den 80er Jahren des
20. Jhd. an die Stadt Bad Homburg verkauft, welche die Gebäude abreißen ließ. 1997 entstand hier als neues Gemeindezentrum die Erlenbach-Halle.
Weimarer Republik
Es gab
zu Beginn der Weimarer Republik etwa 1100 Einwohner, darunter waren 800 Wahlberechtigte. Ober- Erlenbach war schon längst nicht mehr das Bauerndorf, als das es im Mittelalter entstanden war. Die
Aufhebung der Leibeigenschaft und die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert hatten auch hier die Sozialstruktur gründlich verändert. Viele - vor allem männliche - Einwohner arbeiteten zu
dieser Zeit als gelernte oder ungelernte Kräfte im nahen Frankfurt.
2. Weltkrieg
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden wiederum viele Männer des Dorfes, das zu diesem Zeitpunkt bereits 1542 Seelen zählte, zu den Waffen geholt. Im Laufe der fünf Jahre sind 96 Männer gefallen oder wurden als vermisst gemeldet. Die einzige jüdische Familie Ober-Erlenbachs wurde bis auf den Sohn, der sich noch rechtzeitig ins Ausland retten konnte, von den Nazis im Konzentrationslager ermordet. Zwei Kirchenglocken wurden wiederum beschlagnahmt und eingeschmolzen. Sie konnten schon 1951 durch ein massives Spendenaufkommen der Kirchengemeinde ersetzt werden.
1946 und die Heimatvertriebenen
Um die
Mitte des Jahres 1946 kamen die ersten Züge mit Heimatvertriebenen aus dem Osten, und zahlreiche Flüchtlingsfamilien mussten im Dorf untergebracht werden.
Sechziger Jahre
Gegen
Ende der sechziger Jahre wurde das Gewerbegebiet am Lohwald auf der ehemaligen Viehweide ausgewiesen. Es haben sich dort namhafte Firmen niedergelassen, die vielen Ober-Erlenbachern einen
Arbeitsplatz bieten konnten. Im Jahre 1968 wurde am Holzweg eine neue Grundschule gebaut. Der katholische Kindergarten war bereits 1969 auf einhundert Plätze erweitert worden, und mit dem Bau
eines zweiten Kindergartens an der Straße Emmerichshohl im Jahre 1972/73 war der Bedarf an Kindergartenplätzen vorläufig gedeckt. 1998 wurde der katholische Kindergarten durch einen Neubau
ersetzt.
Hatte es im Jahre 1852 nur etwa sechs Prozent Protestanten in Ober-Erlenbach gegeben, so war es jetzt - vor allem durch den Zuzug von Flüchtlingen und Neubürgern - etwa ein Drittel der
Gesamtbevölkerung. Im Jahre 1971 war die Zahl der evangelischen Gemeindeglieder auf 1365 angewachsen; die Gemeinde Ober-Eschbach, die bis dahin die Protestanten unseres Dorfes mit betreut hatte,
zog daraus die Konsequenzen und baute den Ober-Erlenbachern im selben Jahr ein eigenes Gemeindezentrum am Holzweg.
Gebietsreform 1972 Verlust der Selbstständigkeit
Am 1. August 1972 vollzog sich für das Dorf eine einschneidende Veränderung: Die Gemeinde, die zu diesem Zeitpunkt fast viereinhalbtausend Einwohner zählte, verlor ihre Selbstständigkeit, wurde
dem Hochtaunuskreis zugeordnet und in die Stadt Bad Homburg vor der Höhe eingegliedert. Mit der Bebauung des Wingert, die etwa zur selben Zeit begann, wurde eine Umstrukturierung eingeleitet, die
inzwischen zum Abschluss gekommen ist.
Im Jahre 1975 wurde die Früchteverwertung von der Familie Rühl übernommen, die sie fünfzehn Jahre später schloss. Das Gelände wurde an die Stadt Bad Homburg verkauft, die die Gebäude abreißen
ließ.
1997 Erlenbachhalle
Im Jahre 1997 entstand hier als neues Gemeindezentrum die Erlenbachhalle.
Die unter Denkmalschutz stehende Zehntscheune befindet sich seit 1978 in Privatbesitz und dient Wohn- und Ausstellungszwecken.
1999 wurde die Wingert-Sporthalle erbaut.
2007 Paul-Maar Schule
Im Jahre 2007 wurde der Erweiterungsbau der Paul-Maar-Schule begonnen und im Jahre 2010 bezogen.
2016 Umgestaltung Alte Schule zum Heimatmuseum
Ende 2016 wurde die Umgestaltung der Alten Schule zum Heimatmuseum des Vereins „Heimatstube Ober-Erlenbach e.V.“ abgeschlossen.
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